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Welche Vorteile die Videosprechstunde für Patienten hat

Dr. Thomas Assmann ist Experte für Telemedizin. Im Interview erklärt er, wie der Patient davon profitiert.

Artikel nach Kategorien filtern #Coronavirus #Erkrankungen #Medizin #Krankenversicherung #E-Health
iStock / Ridofranz

Dr. Thomas Assmann ist Facharzt für Innere Medizin und Experte für Telemedizin. In einem Interview mit der SBK erläutert der Mediziner, wer von der Videosprechstunde profitiert, wo ihre Grenzen liegen und warum sich manche Patienten sogar extra die Haare vor einer Videosprechstunde schneiden lassen. 

REDAKTION Herr Dr. Assmann, erst einmal vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, um uns einen Einblick in die moderne Telemedizin zu geben. Zuletzt rückte aufgrund der Corona-Pandemie vor allem die Videosprechstunde in den Fokus. Welche Vorteile hat die virtuelle Sprechstunde für Patienten? 

DR. ASSMANN „Entwickelt wurde die Videosprechstunde für Menschen, die nur schwer in die Praxis kommen können. Das sind oft Patienten, die in Altenheimen leben, alleinstehend oder pflegebedürftig sind. Auch bei Pandemien, wie derzeit bei COVID-19, macht es Sinn, in die virtuelle Sprechstunde zu kommen, um das Virus nicht weiter zu verbreiten. Außerdem dürfen wir dabei auch die Versorgung der chronisch Kranken nicht vergessen. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel nennen: Ein Patient von mir ist an einem Hirntumor erkrankt. Seine Angehörigen fragten mich, ob ich nicht täglich vorbeischauen könne. Das ist natürlich schwierig. Hier war die Überlegung, den Patienten telemedizinisch zu betreuen. Es ging also darum, regelmäßig digital mit dem Patienten in Kontakt treten zu können. Für den Arzt und den Patienten bedeuten Fälle wie diese vor allem eine Zeitersparnis, die gerade im ländlichen Raum nicht zu unterschätzen ist. Im Zweifel bitten wir den Patienten, sofern eine Ferndiagnose nicht möglich ist, für weitere Untersuchungen in die Praxis.“

Wenn körperliche Untersuchungen nötig sind, stößt die Videosprechstunde an ihre Grenzen. Wodurch unterscheidet sie sich im Vergleich zu einem Praxis- oder Hausbesuch noch?

DR. A. „Ganz klar in der palliativen Begleitung. Da kann ich ein gutes Beispiel nennen: Ein Mann mit Lungenkarzinom bat mich, ihn noch einmal zu besuchen. Als Arzt habe ich sofort gespürt: Hier geht es nicht um eine akute medizinische Versorgung. Der Patient will einfach das Gefühl haben, dass er noch nicht aufgegeben wurde. Hier geht es um den psychologischen Aspekt, für den eine persönliche Anwesenheit des Arztes sehr wichtig ist. Auch bei komplexen Krankheitsgeschehen sind körperliche Untersuchungen notwendig. Das kann natürlich nur in einer Praxis passieren. Ansonsten sind der Videosprechstunde meiner Meinung nach keinen Grenzen gesetzt.“

Gerade ältere Menschen freuen sich, wenn sie auf die telemedizinische Versorgung zurückgreifen können. Das macht ihnen das Leben einfacher.

Die Videosprechstunde ist im Zuge der Digitalisierung nur ein Teil der telemedizinischen Versorgung. Welche Möglichkeiten gibt es in diesem Bereich eigentlich noch?

DR.A „Die Videosprechstunde ist eingebettet in die moderne Telemedizin – also nur ein Teil von ihr. Ein sogenannter Tele-Arzt hat inzwischen die Möglichkeit, mit einem Rucksack voller Diagnosegeräte zum Patienten nach Hause zu fahren und dort zum Beispiel einen Ultraschall oder ein EKG durchzuführen. Bei den Untersuchungen werden in Echtzeit diagnostische Bilder und alle wichtigen Werte wie Sauerstoffsättigung oder Herzschläge direkt an die Praxis übermittelt. Es besteht sogar die Möglichkeit, einen Facharzt dazu zuschalten, um sich eine weitere Meinung zur Diagnose direkt vor Ort einzuholen. Das erspart dem Patienten im besten Fall eine weitere Untersuchung und lange Wartezeiten bei einem Facharztbesuch – und natürlich den zusätzlichen Transport, der gerade für einen Schwerkranken anstrengend sein kann. Kurz gesagt: Der Arzt bringt quasi einen Teil seiner Praxis in digitaler Form mit zum Patienten.“

R Ein sensibles Thema bei der telemedizinischen Versorgung ist der Datenschutz. Warum kann ein Patient sicher sein, dass seine Daten geschützt sind?

DR.A. „Die ganzen Daten, die wir erheben, werden nirgendwo zwischengespeichert. Über eine sichere Verbindung, einer Peer-to-Peer-Leitung, werden diese direkt und ausschließlich an das System des Arztes geschickt. Sie liegen also nicht auf fremden Servern ab. Zudem sind wir als Telemediziner bei der KBV, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, gelistet. Das bedeutet, wir haben uns gegenüber der KBV verpflichtet, für die Sicherheit der Daten zu sorgen.“

R Sprechen wir über Ihre ersten Erfahrungen mit der Telemedizin: Was läuft diesbezüglich gut, wo sehen Sie persönlich noch Verbesserungsbedarf?

DR.A. „Reden wir von der telemedizinischen Versorgung beim Patienten vor Ort, macht uns oft das schlechte Netz im ländlichen Raum Probleme. Ein gutes Mobilnetz ist jedoch nötig, um die Daten in Echtzeit an die Praxis versenden zu können. Sonst habe ich nur gute Erfahrungen gemacht. Gerade ältere Menschen freuen sich, wenn sie auf die telemedizinische Versorgung zurückgreifen können. Das macht ihnen das Leben einfacher. Kleine Anekdote: Manche Patienten gehen sogar extra für die Videosprechstunde zum Friseur. Sie wollen offenbar gut aussehen – für sie hat dieses Angebot einen hohen Stellenwert. Wichtig ist, dass gerade ältere Menschen mit der modernen Technik nicht allein gelassen werden und ihnen alles genau erklärt wird. Dann kommen die Patienten damit auch gut zurecht, sie fühlen sich einfach durch diese Art der Versorgung wertgeschätzt.“

Wir haben uns gegenüber der KBV verpflichtet, für die Sicherheit der Daten zu sorgen.

RWir haben jetzt vor allem über die bessere Versorgung für die Patienten gesprochen. Welche Vorteile haben Sie eigentlich als Arzt?

DR.A. „Für Ärzte hat die Telemedizin zwei große Vorteile. Zum einen: Wenn ich einen Hausbesuch mache, bin ich für die Hin- und Rückfahrt im Schnitt 50 Minuten im Auto. Lediglich zehn Minuten verbringe ich beim Patienten. Meine Kernkompetenz ist aber nicht das Autofahren, sondern die Versorgung des Patienten. Ich spare also Zeit und kann anstelle des Hausbesuches per Videosprechstunde gleich mehrere Patienten in meiner Praxis betreuen, für die ich sonst keine Zeit gehabt hätte. Zum anderen: Gerade in Pandemie-Zeiten kann ich praktisch in einem Seniorenheim eine komplette Visite durchführen, ohne vor Ort sein zu müssen. Dadurch schütze ich mich und Patienten, die zu einer Risikogruppe gehören.“

RNoch nicht jeder Arzt ist mit der telemedizinischen Versorgung vertraut oder bietet eine Videosprechstunde an. Trotzdem besteht offenbar Bedarf. Was würden Sie Patienten raten, die diese Möglichkeit nicht nutzen können?

DR.A. „Ich würde raten, den Hausarzt aktiv darauf anzusprechen und ihn darauf hinweisen, dass viele Ärzte die Videosprechstunde bereits erfolgreich nutzen. Es ist ja so, dass die Telemedizin die Projektphase bereits hinter sich hat und langsam flächendeckend ausgerollt wird. Einigen Kollegen ist das vielleicht auch noch gar nicht wirklich bewusst. Darum kann ein erster Schritt die aktive Ansprache seitens des Patienten sein. Auch ein Arzt muss mit der Zeit gehen: Wer sich nicht den modernen Bedürfnissen anpasst, verschwindet irgendwann vom Markt.“

RVielen Dank für das informative Gespräch!

SBK Experten Tipp

Welche Praxen bieten eine Videosprechstunde an?

Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung bieten deutschlandweit mehr als 25.000 Praxen Videosprechstunden an. Klären Sie am besten vorher telefonisch, ob Ihr Arzt Videosprechstunden anbietet.Wie Sie eine Videosprechstunde in Anspruch nehmen können, welche Technik Sie dafür benötigen und wie Sie sich richtig auf die Videosprechstunde vorbereiten, erfahren Sie in unserem Artikel zum Thema Arztbesuch in Coronazeiten: Was Sie als Patient wissen sollten.

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