Was heißt eigentlich Qualität im Gesundheitssystem?
Erklärstück: Im europäischen Vergleich fällt das deutsche Gesundheitssystem vor allem durch hohe Kosten bei nur mittelmäßiger Qualität auf. SBK Siemens-Betriebskrankenkasse erklärt die Hintergründe zur Qualitätsdebatte. (13.08.2024)
Die Zeiten, in denen sich Deutschland mit einer überdurchschnittlich guten Versorgungsqualität rühmen konnte, sind vorbei. Zumindest, wenn es nach einer aktuellen Studie zur Leistungsfähigkeit und Effizienz des deutschen Gesundheitssystems geht. Diese wurde im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums von einem Team rund um den Berliner Wissenschaftler Reinhard Busse erarbeitet.1 Im europäischen Vergleich fällt Deutschland vor allem durch hohe Kosten bei nur mittelmäßiger Versorgungsqualität und Bevölkerungsgesundheit auf. Doch was genau heißt eigentlich Qualität im Gesundheitssystem und wie lässt sich diese wirklich steigern? Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse erläutert Begriffe und Hintergründe der Debatte.
Was ist Qualität im Gesundheitswesen?
Täglich werden Millionen von medizinischen Leistungen in Krankenhäusern, Arztpraxen, Rehazentren erbracht. Im Mittelpunkt einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung, steht dabei der Mensch. Dieser Grundsatz gilt als das Leitprinzip unseres Gesundheitswesens (Deutscher Ethikrat 2016). Und trotzdem ist die Einschätzung der Versicherten über die Versorgungsqualität weitgehend unbekannt. Wie haben sie eine Behandlung erlebt? Wie hat sich der Gesundheitszustand nach einer OP verbessert? Der Grund: Es fehlen einheitliche Befragungs- und Rückkopplungssysteme.
Konkret heißt das: Wenn wir Qualität im Sinne einer patientenzentrierten Gesundheitsversorgung erfassen wollen, geht dies nicht ohne die Perspektive der Patientinnen und Patienten (Ergebnisqualität). Auf der systemischen Ebene geht es bei der Qualitätsmessung auch um die Effizienz in den Strukturen und Prozessen. Also wie schnell Anfragen bearbeitet werden, wie die Ausstattung und der Betreuungsschlüssel sind und ob leitliniengerecht gearbeitet wird.
Die Qualitätsebenen im Gesundheitssystem2:
Strukturqualität | Prozessqualität | Ergebnisqualität |
Ressourcen Qualifikationen | Wahl und zeitliche Abfolge von Diagnostik und Therapie
| Während und/oder nach dem Aufenthalt gemessene Ergebnisse
|
Alle diese Parameter sind messbar und schaffen, wenn sie transparent und für alle zugänglich gemacht werden, einen echten Fortschritt in der Qualitätsorientierung. Denn dann können wir endlich nachvollziehen: Wo gibt es Über- oder Unterversorgung? Wo läuft etwas schief? Deshalb gilt: Ohne Transparenz keine Qualität.
Wie lässt sich Qualität messen?
Qualität kann anhand von zwei Dimensionen gemessen werden: „Kennzahlen“ und „Befragungen“. Objektive und vergleichbare Kennzahlen geben wichtige Einblicke in die Struktur- und Prozessqualität. Bei Krankenkassen sind das zum Beispiel die Genehmigungsquoten, die Zahl der Widersprüche und Klagen oder die Bearbeitungszeiten. Bei Kliniken geht es um Kennzahlen zum konkreten Leistungsspektrum, die Häufigkeit bestimmter Eingriffe, Komplikationsraten und die Personalausstattung.
Über strukturierte Patientenbefragungen erhalten wir direkte Rückmeldungen der Patient*innen und Versicherten über das Behandlungsergebnis. Was funktioniert für mich? Was nicht?
Was sind Hürden für mehr Qualität?
Wie kommen wir zu mehr Qualität?
Die kurze Antwort lautet: Mehr Patientenfeedback einholen und Transparenz über Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität herstellen.
Als erste Krankenkasse hat die SBK 2016 damit begonnen, Qualitätskennzahlen wie die Widerspruchszahlen zu veröffentlichen. Inzwischen veröffentlichen viele weitere Krankenkassen jährliche Transparenzberichte. Seit 2022 gibt es einen einheitlichen Kriterienkatalog, auf den sich die gesetzlichen Krankenkassen geeinigt haben. Denn nur wenn alle einheitlich veröffentlichen, sind die Kennzahlen vergleichbar. Auch die Kliniken ziehen nach. Mit dem Bundes-Klinik-Atlas vom Gesundheitsministerium gibt es ein einheitliches Portal zur Erfassung von Qualitätsdaten.
Fazit: Die ersten Ansätze zu mehr Struktur- und Prozessqualität sind gut. Dranbleiben und weiterentwickeln lautet die aktuelle Devise. Auch die ePA für alle ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz und Qualitätsorientierung. Doch bei der Patientenperspektive fehlt noch der große Wurf. Hier gibt es vielversprechende Entwicklungen auf Modellebene, aber in der breiten Masse fehlen die Konzepte.
Was bedeutet Value Based Healthcare (VBHC)?
Value Based Healthcare (VBHC), übersetzt wertbasierte Gesundheitsversorgung, ist ein ganzheitlicher Versorgungsansatz, der 2006 von Harvard-Ökonom Prof. Michael Porter und Dr. Elizabeth Teisberg, Geschäftsführerin des Value Institute for Health and Care an der University of Texas (UT), erstmals vorgestellt wurde. Seit der Veröffentlichung ihres Buches „Redefining Health Care: Creating Value-based Competition on Results“ wird das Konzept weltweit diskutiert – zunehmend auch in Deutschland.
Es geht darum, die Gesundheitsversorgung zu einer qualitativ hochwertigen, patientenzentrierten und kosteneffizienten Praxis zu transformieren. Bei Behandlungen rückt die Patient*innenorientierung in den Vordergrund. Dabei steht der Begriff „Value“ im Mittelpunkt. Value, die Ergebnisqualität aus Sicht der Patient*innen (Outcome), steht im Verhältnis zu den Kosten, die man zum Erzielen des bestmöglichen Outcomes benötigt.
Bei der Kostenbetrachtung geht es um die Gesamtausgaben und darum, ob eine alternative, kostengünstigere Behandlung zu einem vergleichbaren Ergebnis geführt hätte.
Tiefergehende Informationen zum Konzept finden Sie hier:
Zum aktuellen Transparenzbericht der SBK:
1 Quelle:
2 Quelle: Seite 119
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