Wieso sind eigentlich die Arzneimittelausgaben so hoch?
Erklärstück: Die Arzneimittelausgaben in der GKV steigen jährlich. Maßnahmen wie eine gesenkte Mehrwertsteuer auf Medikamente könnten die aktuelle Finanzlage entspannen. (10.09.2024)
Die Ausgaben für Arzneimittel sind der zweitgrößte Ausgabenposten in der Gesetzlichen Krankenversicherung. Und das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Im letzten Jahr sind 30 Medikamente mit neuem Wirkstoff in Deutschland zugelassen worden, 2022 waren es sogar 49. Der medizinische Fortschritt eröffnet über diese Arzneimittel vielen Betroffenen ganz neue Chancen. Doch damit gehen Ausgabensteigerungen im Arzneimittelbereich einher, die die Finanzlage der Krankenkassen maßgeblich beeinflussen. Die SBK Siemens-Betriebskrankenkasse erläutert, wie Arzneimittelpreise festgelegt werden und welche Mittel und Wege es gibt, um die Kosten für Arzneimittel nicht weiter ansteigen zu lassen.
Wer setzt die Arzneimittelpreise fest?
Erhält eine Pharmafirma die Zulassung für ein neues verschreibungspflichtiges Arzneimittel, darf sie den Preis im ersten halben Jahr frei bestimmen. Danach orientiert sich der Preis daran, ob ein Zusatznutzen gegenüber dem bisherigen Therapiestandard besteht. Für das Arzneimittel wird ein Erstattungsbetrag verhandelt oder es wird einem Festbetrag zugeordnet.
Bei rezeptfreien Arzneimitteln können die Hersteller den Preis komplett selbstständig festlegen. Auch die einzelnen Apotheken dürfen innerhalb eines rechtlichen Rahmens den Weiterverkaufspreis bestimmen. So kommt es zwischen einzelnen Apotheken zu unterschiedlichen Preisen für das gleiche rezeptfreie Medikament.
Wenn das Patent eines Arzneimittels abgelaufen ist, können außerdem andere Pharmaunternehmen ein Arzneimittel mit der gleichen Wirkung und Qualität auf den Markt bringen. Dieses ist meistens deutlich günstiger. Handelt es sich um denselben Wirkstoff, spricht man von einem Generikum (Plural: Generika). Ein Biosimilar ist dagegen ein Arzneimittel mit ähnlichem Wirkstoff, das jedoch biotechnologisch hergestellt wird. Das heißt durch Einsatz von Mikroorganismen wie Hefen oder Bakterien.
Wie läuft die Verhandlung des Erstattungsbetrags?
Nach einem halben Jahr setzen sich der Hersteller und der GKV-Spitzenverband zusammen und verhandeln den zukünftigen Erstattungsbetrag. Im Rahmen der Verhandlung wird festgelegt, ob das Arzneimittel unter einen Festbetrag fällt – das passiert, wenn es schon Medikamente der gleichen Wirkstoffgruppe ohne Patentschutz gibt – oder ob ein ganz neuer Erstattungsbetrag verhandelt werden muss. Die Höhe des Erstattungsbetrags richtet sich dann nach dem Zusatznutzen des Arzneimittels.
Was genau ist dieser Festbetrag?
Festbeträge sind gesetzliche Höchstgrenzen für die Erstattung der Präparate. Ein Festbetrag wird bestimmt, wenn es für das Originalpräparat auch Alternativen mit vergleichbarem Wirkstoff gibt. Die Festbeträge werden – so ist es gesetzlich festgelegt – für alle Kassen gemeinsam verhandelt. Sie gelten bei allen Kassen gleichermaßen. Ist der Preis des Arzneimittels höher als der Festbetrag, trägt der Kunde oder die Kundin diese Differenz. Dann spricht man von Mehrkosten.
Was sind Arzneimittelrabattverträge?
Die gesetzlichen Krankenkassen handeln mit den Pharmafirmen sogenannte Rabattverträge aus. Versicherte der entsprechenden Kasse erhalten dann für ihre Rezepte in der Regel Arzneimittel der Vertragspartner. Meistens geht es in diesen Verträgen um verschreibungspflichtige Generika. Die Rabattverträge sind ein wichtiges Instrument, um die Kosten für Arzneimittel zu dämpfen.
Wie viel Geld geben denn die Gesetzlichen Krankenversicherungen im Jahr für Arzneimittel aus?
Die GKV gibt im Jahr rund 53 Milliarden Euro für Arzneimittel aus. Das ist der zweitgrößte Ausgabenposten. Zum Halbjahr 2024 lagen die Ausgaben GKV-weit bei fast 27 Milliarden Euro. Die SBK alleine kam im Jahr 2023 auf knapp 720 Millionen Euro, zum Halbjahr 2024 auf rund 396 Millionen Euro, was einer Steigerung von rund 13 Prozent zum Vorjahresquartal entspricht. Vor zehn Jahren lag das Ausgabenvolumen der SBK noch bei knapp 378 Millionen.
Was sind die größten Ausgabenblöcke?
Einen großen Anteil an den Ausgaben haben Arzneimittel zur Behandlung von Krebserkrankungen. Die GKV gibt inzwischen mehr als 10 Mrd. Euro jährlich für Onkologika aus. Damit entstehen GKV-weit rund 20 Prozent der Arzneimittelausgaben im Rahmen von Krebsbehandlungen. Die Tendenz ist steigend. Bei der SBK betrug der Ausgabenanstieg von 2022 auf 2023 allein für die klassischen Krebsmedikamente über 14 Prozent. Hinzu kommen von Jahr zu Jahr steigende Ausgaben für Immuntherapien, die in Teilen auch zur Behandlung onkologischer Erkrankungen eingesetzt werden.
Ein weiterer großer Posten sind die sogenannten Orphan Drugs. Das sind Arzneimittel, die zur Behandlung Seltener Erkrankungen eingesetzt werden. Sie verursachen GKV-weit rund 13 Prozent der Arzneimittelausgaben.
Wichtig zu wissen: Auch wenn diese beiden Ausgabenblöcke einen großen Anteil an den Gesamtkosten haben, der Anteil an den Verordnungen beträgt nur knapp 2 Prozent. Die hohen Kosten werden also nicht durch die Menge an Verschreibungen verursacht, sondern durch die Kosten für das einzelne Arzneimittel. So kostet jede Verordnung eines Krebsmedikaments im Schnitt ca. 1.500 Euro.
Exkurs: Ein Ausblick in die Zukunft der Medizin
Derzeit sind 15 Gentherapeutika in Deutschland zugelassen. Diese dienen dazu, im Rahmen von Gentherapien das Erbgut Erkrankter zu verändern und damit ihre jeweilige Krankheit zu behandeln. Die Kosten für diese Arzneimittel lagen bei Markteintritt zwischen rund 300.000 Euro und 4,2 Millionen Euro pro Behandlung. Expert*innen gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren rund 50 Gentherapeutika auf den Markt kommen könnten, die unter anderem zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Augenleiden und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes dienen. Potenziell könnten rund 3,8 Millionen Patientinnen und Patienten von den neuen Gentherapeutika profitieren. Die prognostizierten Ausgaben für diese Medikamente liegen bei rund 27 bis 36 Milliarden Euro. Das ist mehr als die Hälfte der bisher anfallenden jährlichen Kosten für alle verschreibungspflichtigen Arzneimittel insgesamt.
Welche Möglichkeiten werden diskutiert, um den Kostenanstieg zu bremsen?
Um den Kostenanstieg im Arzneimittelsektor zumindest vorübergehend zu bremsen, wird aktuell vor allem eine kurzfristig mögliche Änderung diskutiert: Der Mehrwertsteuersatz für Arzneimittel liegt in Deutschland bei 19 Prozent. Der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent, der unter anderem für Bücher, Blumen oder auch Hygieneartikel gilt, gilt nicht für Arzneimittel. Dabei könnten die Beitragszahlenden in der GKV mit einer Absenkung des Steuersatzes um mehr als 4 Milliarden Euro entlastet werden. Leider wird diese einfache Kostensenkungsmaßnahme von der Politik bisher abgelehnt.
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